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Yoga und die Fähigkeit aufmerksam zu sein

Veröffentlicht am 31.10.2021

Buch von Jenny Odell NichtstunBuch von Jenny Odell NichtstunGedanken beim Lesen von Jenny Odell „Nichtstun“, erschienen im Verlag C.H. Beck 2021

Jenny Odells Buch mit dem Titel „Nichtstun“ ist kein Buch über Yoga. Sie schreibt über unsere Aufmerksamkeit als wertvollste Ressource für ein sinnvolles Leben und über Möglichkeiten, sie zu bewahren. Es ist bekannt, dass heute mit „zunehmender Vernetzung und neuen Medien die Kosten für Informationen und Unterhaltung immer weiter sinken. Begrenzend ist nicht mehr der Zugang, sondern die Aufmerksamkeit. Sie ist knappe Ressource, begehrtes Einkommen, ökokomisches Kapital und soziale Währung“ (1). Unsere Aufmerksamkeit ist von Natur aus sprunghaft. Sie schweift ständig ab zu neuen Dingen und verweilt nur so lange, bis sich unser Interesse erschöpft hat.  Unser Alltagsgeist wird aus wirtschaftlichen Gründen im Netz durch interessante Designelemente  zum Weiterklicken animiert.   Kurzfristig scheinen wir dabei belohnt zu werden durch das Stillen unserer Neugier. Interessantes wird uns ohne Ende präsentiert. Wir klicken uns losgelöst vom Raum und Zeit von Information zu Information, von Angebot zu Angebot. Langfristig bezahlen wir tatsächlich mit unserer Fähigkeit zum Innehalten.

Das hat reale Folgen für unser Leben und unsere Welt. Denn eine Aufmerksamkeit, die verweilen kann, ist die Grundlage für eine richtige Wahrnehmung, zum Erfassen, Verstehen und Hinterfragen von Vorstellungen. Sie verbindet uns mit der realen Welt. Das Verlieren unserer Bezugskoordinaten in Beziehungen, in Raum und Zeit hat schwerwiegende Folgen. Zu einer durch Yoga geschulten Aufmerksamkeit kann man im Yoga Sutra lesen: „Dann scheint in uns die Fähigkeit auf, etwas vollständig und richtig zu erkennen. Wir werden offen und haben zum Beispiel die Möglichkeit, einen anderen Menschen in all seiner Tiefe, in seiner Freude und in seinem Leid zu erkennen und von seinem Wesen berührt zu sein.“ (2)„Yoga ist die Fähigkeit, sich ausschließlich auf einen Gegenstand, eine Frage oder einen anderen Inhalt auszurichten und in dieser Ausrichtung ohne Ablenkung zu verweilen. Es kann sich dabei um einen konkreten Gegenstand handeln, der sich außerhalb von uns befindet, oder aber um etwas, das Teil von uns selbst ist. Wir können uns in dieser Ausrichtung auch einer Frage zuwenden, einem Konzept, oder aber zu etwas hin, das jenseits unserer sinnlichen Wahrnehmung liegt, zum Beispiel Gott.“ (3) Der Yoga schult unsere Fähigkeit zur Ausrichtung in Zeiten, die unsere Aufmerksamkeit in besonderer Weise herausfordert und zur Währung degradiert. Jenny Odell beschreibt andere Wege zur Rettung der Fähigkeit zum Innehalten.  Und so viel sei verraten, es geht nicht um die vollständige Internetabstinenz. Ein lesenswertes Buch!

(1)     Wikipedia unter Ökonomie der Aufmerksamkeit

(2)     Über Freiheit und Meditation, Das Yoga Sūtra des Patañjali, S. 22, Verlag Via Nova, 6. Auflage 2014, S.23

(3)      Über Freiheit und Meditation, Das Yoga Sūtra des Patañjali, S. 22, Verlag Via Nova, 6. Auflage 2014, S.22