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Kann Kunst Yoga sein?

Veröffentlicht am 13.04.2020

Über Vergänglichkeit, Avidyā und Yoga in schwierigen Zeiten

Unsere Skulptur verändert sich. Wir hörten sie mehrmals laut knacken und schauten sie uns nach längerem mal wieder aufmerksam an. Der untere Spalt und die kleinen Risse im Holz waren größer geworden. Die Veränderungen sind auf dem neuen Foto zu sehen. Das Holz trocknet. Sie ist instabiler. Sogleich kamen Gedanken, wie und ob wir sie konservieren könnten. Sie gefiel uns doch immer so sehr. Hilft anfeuchten? Würde Möbelpolitur ihren Charakter zu nachhaltig verändern? Was würde Christine, die Bildhauerin, dazu sagen? Es stellte sich die Erkenntnis ein: Sie ist vergänglich und wir hatten sie für ewig gehalten.

Avidyā, ein Begriff aus dem Yoga Sūtra des Patañjali*, bewirkt, dass wir Vergängliches für ewig halten. Alles ist in Veränderung und leider entgeht es uns oft. Avidyā gehört zu den kleśa, den ineren Kräften, die Leid verursachen. Kleśa bewirken unreale geistige Konstruktionen der

Wirklichkeit, die in ihrer Folge reale Konsequenzen haben. Interpretationen und Vermutungen werden zu persönlichen Gewissheiten. Wir kennen das alle. Und manchmal können wir erkennen, wenn wir uns verrannt haben.  Wie kann Yoga dazu beitragen avidyā zu verringern? Yoga kann einen ruhigen, klaren, ausgeglichenen, entspannten und wachen Zustand bewirken. Unser geistiger Zustand hat Einfluss auf unsere Wahrnehmung. Hierzu gibt es tatsächlich viele Untersuchungen. So kann Stress unsere Wahrnehmung einengen. Ein entspannter Zustand hilft klarer wahrzunehmen, mit unseren Einschätzungen hoffentlich öfter mal richtig zu liegen und angemessener zu handeln. Yoga ist ein Mittel, zukünftiges Leid zu vermeiden. Yoga kann gerade in Zeiten starker Veränderungen Lebenshilfe sein.

Vergänglichkeit war und ist häufig Thema in der Kunst. Sie sicht- und hörbar, spür- und fühlbar zu vermitteln, das ist Yoga. Vielen Dank der Künstlerin! Hier ist der Link zu ihrer Website:

https://christinerowland-bildhauerei.jimdofree.com/

* Das Yoga Sūtra des Patañjali ist eine alte indische philosophische Schrift, die wahrscheinlich im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung entstand. Dieser „Leitfaden für Yoga“ bedarf nicht nur einer Übersetzung aus dem Sanskrit, sondern auch einer Interpretation, da die einzelnen Sūtren sehr kurz sind und viele der wichtigen Wörter eine sehr breite Bedeutung haben und sehr unterschiedlich übersetzt werden können. Ursprünglich war er wohl für Lehrer gedacht und wurde mündlich ergänzt.

 

Wer mehr zur Philosophie des Yoga lesen möchte, hier die Literaturempfehlung:

Über Freiheit und Meditation, Das Yoga Sūtra des Patañjali, Verlag Via Nova, 6. Auflage 2014

Der Artikel bezieht sich auf die Sūtren 2.4, 2.5 und 2.16