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Yoga und die nicht-taktile Nähe (Teil 1)

Veröffentlicht am 17.04.2020

 

Die Collage stellt das vegetative Nervensystem und die Polyvagaltheorie dar.Die Collage stellt das vegetative Nervensystem und die Polyvagaltheorie dar.In ihrem Podcast (Deutschlandfunk Kultur) sagt die Philosophin Svenja Flaßpöhler in Bezug auf die Corona-Pandemie: " Und ich glaube, dass wir die Dimension einer nicht-taktilen Nähe nochmal neu entdecken können und müssen." Nicht- taktile Nähe entdecken, das ist eine interessante Beschreibung für unsere Fähigkeit, uns mit Menschen verbunden zu fühlen. Auch mit Menschen, die Abstand halten müssen. Die entweder weit weg sind oder zwar in Sichtnähe, z.B. eineinhalb Meter vor mir oder z.B. hinter Plexiglas an der Kasse, aber doch weiter weg als gewohnt. Viele berichten, dass sie in der jetzigen Situation beim Einkaufen mehr Freundlichkeit und Rücksicht spüren. Und jeder kennt wohl auch das Gefühl, in einer dichten Menschenmenge gestresst zu sein. Je näher ist nicht immer besser. Der in Meter messbare Abstand zwischen Menschen ist kein Maß für Verbundenheit.  

Mimik, Gestik und Sprachmelodie sind uralte kommunikative Mittel. Ein Schrei kann durch Mark und Bein gehen. Mimik und Gestik können abweisend sein. Ein freundliches Gesicht und eine sympathische Stimme können uns beruhigen. Lächeln und Lachen verbindet.

Unser vegetatives Nervensystem stellt je nach Situation die passenden neuronalen Verknüpfungen her, die unsere Mimik steuern und die kleinen Muskeln zur Modulation der Stimme. Der ventrale Vagus-Komplex ist aktiv in sozialen Situationen der Verbundenheit. Es gibt sehr gute Gründe anzunehmen, das Vini-Yoga mit ganz unterschiedlichen Übungen hin zu diesen neuronalen Zuständen im vegetativen Nervensystem führen kann. Ein psychophysiologisches Konzept der Yogatherapie ist die Aktivierung des ventralen Vagus. Vini-Yoga kennt viele Möglichkeiten. Es können individuelle Vorlieben und Möglichkeiten genutzt werden. Ganz unterschiedliche Bewegungen, Atemübungen oder mentale Übungen zur Ausrichtung können individuell zusammengestellt werden, um Richtung Entspannung, Wohlbefinden und Verbundenheit zu führen.

Yoga bietet wunderbare Möglichkeiten, nicht-taktile Nähe zu erkunden. Mittels Yoga kann der  Einfluss unserer Gestimmtheit und unseres Körperempfinden auf das Fühlen nicht-taktiler Nähe erlebt werden. Im Kampfmodus entgehen mir eher die freundlich unterstützenden Signale und mögliche Gefahrenquellen rücken in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Das hilft, wenn z.B. ein Feuer ausbricht oder ein Tiger um die Ecke kommt und ein schnelles Handeln (Kämpfen oder Fliehen) notwendig ist. Die Gefahr, die von einem Virus ausgeht, kann so nicht gemildert werden. Niemand kann vor dem Virus wegrennen. Die erfolgversprechende Strategie liegt in freundlicher Rücksichtnahme, Ruhe, Distanz und der Entdeckung unserer Möglichkeiten nicht-taktile Nähe zu unterstützen. Mittels Yoga kann ein  Gefühl für Verbundenheit entwickelt werden. Für das synchrone Bewegen in einer Yoga-Gruppe ist das bekannt, aber auch beim täglichen Üben zu Hause ganz für sich allein, kann es entstehen.

Im zweiten Teil wird es um inneres Erleben, Körpererinnerungen, nicht-taktile Nähe und Yoga gehen.

Hier der Link zum Podcast:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/philosophin-svenja-flasspoehler-der-nullpunkt-als-riesige.970.de.html?dram:article_id=474693

 

Das Bild zeigt meine Collage des vegetativen Nervensystems als Waage, die auf Grundlage der Wahrnehmung zu situativ angemessenen Verknüpfungen führt. Je klarer die Wahrnehmung, je angemessener das Verhalten. Sie nimmt Bezug auf die Polyvagaltheorie nach Porges. Die Polyvagaltheorie stellt Verbindungen zwischen dem Nervensystem, den Emotionen und unserem Verhalten her. (VVC -ventraler Vagus-Komplex, DVC-dorsaler Vagus- Komplex, SN- Sympathisches Nervensystem und den kombinierten Zuständen VVC/DVC und VVC/SN). Wer mehr wissen möchte:

Porges et al, Yoga Therapy and Polyvagal Theory: The Convergence of Traditional Wisdom and Contemporary Neuroscience for Self-Regulation and Resilience Front. Hum. Neurosci., 27 February 2018 https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnhum.2018.00067/full|

Steven W. Porges, Bessel van der Kolk (Vorwort), Die Polyvagal-Theorie: Neurophysiologische Grundlagen der Therapie. Emotionen, Bindung, Kommunikation & ihre Entstehung, Junfermann Verlag 2010